Allgemeines
Im Vergleich zum PKW mit seinem langen Radstand und dem relativ niedrigen Schwerpunkt verschiebt sich bei Bremsungen mit dem Motorrad die Last wesentlich stärker vom Hinterrad zum Vorderrad.
Bei gleichmäßiger Fahrt sind Vorder- und Hinterradlast gleich groß. Die Bremskräfte greifen als Reibungskräfte überwiegend an der Vorderreifenaufstandsfläche an, während die Trägheitskräfte am Gesamtschwerpunkt von Mensch und Maschine in etwa einem Meter Höhe wirken. Durch dieses versetzte Kräftepaar kommt es zu einem Drehmoment um die Querachse des Motorrades. Bei Motorrädern mit Telegabeln spürt der Fahrer diese Erscheinung deutlich als ein Wegtauchen der Motorradfront, dem so genannten Bremsnicken. Die Intensität dieses Nickens ist abhängig von:
den geometrischen Größen Radstand, Schwerpunktlage und vorderer Federweg und Federhärte
der Art der Vorderradführung (mit oder ohne Bremsnickausgleich)
natürlich von der Intensität der Bremsung
bzw. von den Reibverhältnissen auf dem Untergrund ( -Wert).
Bei gebremster Fahrt verschiebt sich die Radlast stark zum Vorderrad. In gleichem Maß steigt die am Vorderrad übertragbare Bremskraft. Aus diesem Grund nutzt der geschickte Bremser die Vorderradbremse wesentlich stärker als die im Hinterrad, an dem wegen der starken Entlastung nur geringe Bremskräfte übertragen werden können.
Bei modernen, leistungsfähigen Bremssystemen kann diese Radlastverschiebung vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten zum Abheben des Hinterrades oder sogar zum Überschlag führen. Ebenso kann beim Beschleunigen durch den umgekehrten Effekt das Vorderrad abheben. Das Motorrad vollführt dann einen Wheely.
Entscheidend für die akute Bremssicherheit ist der Übergang von der ungebremsten Fahrt in die gebremste Fahrt. Die Nachgiebigkeit der Vorderradfederung und die Trägheit der Maschinenmasse sorgen dafür, dass die Vorderradlast - also die Kraft, mit der der Reifen auf den Untergrund gedrückt wird - nicht in dem Augenblick der Bremsbetätigung, sondern mit geringer Verzögerung ansteigt.
Die maximal mögliche Bremskraft kann also erst übertragen werden, wenn sich das Motorrad weit genug nach vorne geneigt hat, und der Anpressdruck des Reifens auf dem Untergrund ausreichend angestiegen ist. Diese Erscheinung tritt vorrangig bei Motorrädern mit langen Federwegen und hohem Schwerpunkt auf (Enduros), kann aber auch bei Sportmaschinen mit sehr direkt ansprechender Bremsanlage unangenehm wirksam werden.