Naturpark Baronnies Provençales - Hautes-Alpes / Südfrankreich Teil 1

  • Der Naturpark Baronnies Provençales erstreckt sich im Norden der Provence zwischen den Départements Drôme und Hautes-Alpes. Geier umkreisen seine Kalksteinfelsen. In der Ebene prägen Weinreben, Obstbäume und Lavendelfelder die Landschaft. An den Hängen wachsen Oliven- und Lindenbäume, Eichenwälder. Weite Räume unberührter Natur unter provenzalischer Sonne, mit einer offenen Landschaft soweit das Auge reicht.

    Wasserräder, kleine Pässe und große Schluchten


    Unsere Unterkunft im Tal der Céans liegt nahe dem mittelalterlichen Dorf „Orpierre“ an der „Route des Princes d’Orange“. Der alte lateinische Name des Orts, "Vallis Petrosus", bedeutet steiniges Tal. Wir sind umgeben von den felsigen Berggipfeln Le Suillet (1.324 m), Rocher Saint-Michel (1.216 m), Rocher Quiquillon (1.025 m) und der Montagne de Chabre (1.393 m).

    Ein Blick zum Himmel und wir sind sicher, der Tag wird schön. Die beste Sozia der Welt erklimmt ihren Thron hinter mir. Den Zündschlüssel umgedreht und meine 600er Silver Wing erwacht zum Leben. 20 Jahre alt und doch stets zuverlässig. Zum Einfahren ist der abgelegene „Col St. Jean“ (1.158 m), der Laborel im Céans-Tal mit Eygalayes verbindet, genau richtig.

    Die Landschaft ist typisch provenzalisch: dunkelgrüne lichte Wälder, schroffe felsige Bergspitzen. Die Passhöhe selbst ist recht unscheinbar und bietet lediglich eine Bank und ein Kreuz.20685-a-20230919-164532-jpg

    Auf der gut ausgebauten D542 machen wir zügig „Strecke“, biegen auf die D 546 ab und schwingen uns hinauf zum „Col de la Pigière“ (968 m). Der Pass führt aus dem Becken von Sederon in das „Vallée du Jabron“ und bildet die Grenze zwischen den Departements Alpes-de-Haute-Provence und Drôme. Fahrerisch stellt der Pass keine Herausforderung dar.

    Über den „Col du Negron“ (1.242 m) erreichen wir das Lavendeldorf Sault. Jetzt im September ist vom blauen Gold der Provence allerdings nichts mehr zu sehen. Die Felder sind bereits abgeerntet.

    Wie immer verlassen wir Sault natürlich nicht, ohne am „Place de Château“ den ersten Espresso des Tages „geschlürft“ zu haben.

    Schön geschwungene Kurven führen uns aus der Stadt. Am „Belvédère de Saint Jean“ machen wir einen kurzen Stopp. Weit gleitet der Blick über die Ebene unter uns. In der Ferne wächst der Riese der Provence, der Mont Ventoux, dem Himmel entgegen. Kleine Wölkchen umspielen das Observatorium auf seinem Gipfel. Das Teerband der D102 streckt sich westwärts.20689-a-img-0107-c-jpg

    Am verwunschenen „Château de Javon“ weist ein verwittertes Verkehrsschild darauf hin, dass hier Wildschweine die Strasse queren. Jetzt, zur Mittagszeit, haben sie sich glücklicherweise in den Schatten der Kastanien- und Eichenwälder zurückgezogen. Olivenhaine und graue Lavendelfelder rauschen vorbei. Es herrscht kaum Verkehr. Wie aus dem Nichts erhebt sich plötzlich eine massive Felswand aus dem Boden. Fast surreal wirkt die „Falaise de la Madeleine“; wie in die Landschaft geworfen. Sie wacht über den kleinen Ort Lioux, der im Schutze ihres Felsriegels ruht.

    Hoch über dem Tal des Cavalon thront malerisch der kleine Ort Gordes mit seinen engen Gassen und hohen, schmalen Häusern wie ein Adlerhorst auf dem Berg, überragt vom trutzigen „Chateau de Gordes“. Ein kurzer Abstecher nach Fontaine-de-Vaucluse, das wir aber ohne abzusteigen umgehend wieder verlassen. Die berühmte Quelle, die größte Frankreichs und die fünftgrößte der Welt, ist jetzt im September fast ausgetrocknet. Die Sorgue (Fluss) ist nur noch ein Rinnsal und wird dennoch von unzähligen Touristen umlagert. Wir wenden uns westwärts und lassen nach wenigen Kilometern im malerischen „L‘Isle-sur-la-Sorgue“, den Motor der Siwi verstummen. Das „Venedig der Vaucluse“, ist von kleinen Kanälen mit smaragdgrünem, glitzerndem Wasser umgeben. 17, oft mit Moos bewachsene, große Wasserräder gibt es noch. Die engen Strassen des historischen Zentrums mit ihren Antiquitätenläden, Restaurants und kleinen Designerboutiquen laden zum Bummeln ein. Das Rauschen des Wassers ist dabei nie weit und wir genießen die französische Leichtigkeit des Seins.
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    Die Rückfahrt führt uns durch die „Gorges de la Nesque“. Wer mit dem Motorroller durch die Provence fährt und diese Schlucht nicht mitnimmt, hat etwas verpasst. Die Nesque, im Sommer nur ein kleines Bächlein, hat sich im Lauf der Zeit ein bis zu 300 m tiefes Tal in das Kalkmassiv gegraben. Die Gorges de la Nesque liegt südöstlich des „Mont Ventoux“ (1.909 m) und gilt neben diesem als landschaftlicher Höhepunkt der Region. Eine kleine Landstraße zwischen Villes-sur-Auzon und Sault führt durch die Berglandschaft. Schöne, weiche Kurven ziehen sich hoch über den Talgrund entlang. Der Asphalt ist griffig, die Landschaft hat einen herben Charme und immer wieder öffnen sich reizvolle Blicke auf den „Berg der Winde“. Ist die Schlucht anfangs sanft, fast lieblich und dicht bewaldet, so wird sie umso schroffer und karger, je mehr Strecke wir hinter uns lassen.

    In 735 Meter Höhe bietet ein „Belvédère“ (Aussichtspunkt) die Aussicht auf eine grandiose, unberührte Landschaft. Hinter uns der Mont Ventoux, vor uns die Felsen des „Rocher du Cire“ (872 m) und unter uns die Nesque.

    Spektakulär sind auch die kurzen Naturtunnel, die glücklicherweise nicht allzu gefährlich sind.

    Unsere Honda Silver Wing 600 gleitet durch die Gassen des Örtchens „Montbrun-les-Bains“, eines der schönsten Dörfer zwischen Sisteron und Avignon. Die kleinen Häuser kleben Orgelpfeifen an den steilen Felshängen. Unterwegs nehmen wir noch den sehr gut zu fahrenden „Col de Macuègne“ (1.068 m) mit, ehe wir in Eygalayes zum „Col de Muse“ (1.209 m) abbiegen. 13 Serpentinen leiten uns kurvenreich hinauf zum 11 Einwohner Dorf „Izon-la-Bruisse“ und zurück zur Südauffahrt des „Col St. Jean“, der uns wieder nach Laborel entlässt. Hier machen wir spontan noch einen kleinen Umweg. Ein letztes Mal quäle ich die Reifen meiner Silver Wing. Die Straße ist gut und windet sich mit einigen Haarnadelkurven und einer großen Serpentine hinauf zum „Col de Pierre-Vesce“ (1.056 m). Wir genießen hier oben die letzten Sonnenstrahlen. Schön war`s.


    Col de Perty, Nyons & die Gorges du Saint May


    Die „Route des Princes d'Orange“ führt uns über den 1.302 Meter hohen, relativ unbekannten „Col de Perty“. Der schmale, asphaltierte Feldweg schlängelt sich munter 9 Kilometer den Berg hinauf, durch Macchia und gelben Ginster, entlang schroffer Berghänge und durch unübersichtliche Kurven. Splitt prasselt wie Gewehrsalven gegen die Radabdeckungen meiner 600er Silver Wing. In so mancher Kehre kommt Spannung auf. Knorrige Kastanienbäume, die bereits ihr braunes 20686-20230922-103844-jpgHerbstkleid übergezogen haben, säumen hin und wieder die Strecke, wohl stellvertretend für die fehlenden Leitplanken. Ein mächtiger Kangal, ein Herdenschutzhund, begleitet uns laut bellend ein Stück des Weges. Aufgrund ihrer enormen Größe und Kraft können diese Hunde ihre Schafsherde sogar gegen Wölfe und Bären verteidigen. Hoffentlich hält der rostige Maschendrahtzaun zwischen uns!! Wie an der Schnur gezogen zieht meine Siwi der Passhöhe entgegen, die direkt durch die Oberkante des Felsmassivs geschlagen ist. Es bietet sich uns ein 360-Grad-Rundumblick auf den „Mont Ventoux“ (1.909 m) im Westen, die „Montagne de Chamouse“ (1.532 m) im Südosten und die „Montagne de l’Arsuc“ (1.461 m) im Nordwesten. Die Sonne taucht alles in ein warmes, herbstliches Licht. Es herrscht eine unendliche Stille. Ein einziger Genuss!

    Die Westrampe nach Montauban-sur-l’Ouvèze besteht fast ausschließlich aus ordentlich fahrbaren Kehren mit dazwischenliegenden, langen Geraden. Die Strecke hat verkehrstechnisch keinerlei Bedeutung und ist daher wenig befahren. Der Asphalt befindet sich auf dieser Passseite dennoch in einem recht gepflegten Zustand. Die Vegetation wandelt sich peu à peu von einer kargen Alpenkulisse hin zu alten Olivenplantagen und abgeernteten Lavendelfeldern.

    Entspannt gleiten wir über den „Col de Peyruergue“ (820 m), ein kleiner Pass an der D 64. Die kleine Bergstraße verbindet die Ortschaft Sainte-Euphémie-sur-Ouvèze mit La Bâtie Verdun im Ennuyetal. Ein verwittertes Schild weist auf die „Ferme du Moulin“, hin. Auf der Wiese stehen Mohair Schafe und starren uns an. Wir sehen Niemanden, werden dafür aber sofort vom Hofhund begrüßt, der sich - freudig erregt - nähert. Ein kurzes Schnüffeln an meiner Hand und wir sind offenbar sofort Freunde. Der Wächter der Farm trottet entspannt neben uns her. Später erzählt uns der Schäfer, dass er bei seiner ersten Begegnung mit ihm sofort gebissen wurde. Man muss eben Glück haben.

    Dem Tal der Eygues, einem Nebenfluss der Rhone folgend, nähern wir uns Nyons. Die Kleinstadt liegt in einem Talkessel, eingeschlossen von der Montagne de l´Essaillon (926 m), Garde Grosse (944 m), Saint-Jaume (791 m) und der Montagne de Vaux (850 m). Dem fast mediterranen Klima verdankt das Städtchen auch seinen Beinamen „Petit Nice“ (Klein Nizza). 20687-a-20230921-115508-jpg

    Seit dem Mittelalter wird in Nyons Markt gehalten. Heutzutage findet der größte, ein provenzalischer Markt, jeden Donnerstag statt - und heute ist Donnerstag!!! Die Altstadt in der Gegend um den Place de la Libération, Place des Arcades und den umgebenden Straßen ist mit unzähligen Marktständen bestückt. Angeboten wird alles, was man sich vorstellen kann: jede Menge Obst und Gemüse, Honig, Käse aller Art, Wurst und Fleisch, Oliven, Olivenöl und Olivenpasten, aber auch Seife, Schmuck, Gewürze, Pflanzen, Kleidung, Taschen und…und…und. 2 Flaschen Olivenöl und 3 Kg Walnüsse verschwinden in den Satteltaschen. Großzügig sehe ich dabei über das zulässige Zuladungsgewicht hinweg. Unter mächtigen Platanen genießen wir einen Café au Lait und lassen das alltägliche französische Leben an uns vorbeiziehen.20688-a-20230921-122918-jpg

    Wir nutzen die Zeit, für einen kleinen Bummel durch die quirlige Altstadt. Am Rand des mittelalterlichen Zentrums überspannt die Steinbogenbrücke „Pont de Nyons“ aus dem Jahr 1409 die Eygues und führt uns an die Mauern einer jahrhundertealten Burg. Wir verzichten allerdings darauf, diese heute zu erstürmen.

    Weitere Bildergalerien, Videos, GPX-Dateien findet ihr auf meiner Homepage.

    Viel Spass !

    Sag deinen Problemen, dass du nach dem Frühstück kommst und sie nicht auf dich zu warten brauchen - echt nicht !