15. März 2012
Die grossen Roller sind gross im Kommen
Kein anderes Segment bietet mehr Modellneuheiten als jenes der
Maxi-Scooter
Mit den insgesamt sechs neuen Maxi-Rollern von Aprilia, BMW, Honda, Kymco
und Yamaha rücken die beiden bisher so unterschiedlichen Welten von Töff und
Roller näher zusammen.
Hanspeter Küffer
Eine neue Erfindung sind die sogenannten Maxi-Scooter, die Roller der
Top-Klasse mit 500 cm³ und mehr, nicht. Bekannt sind der Burgman 650 von Suzuki,
der Silver Wing T600 von Honda oder der Gilera Nexus mit 500-cm³-Motor. Klarer
Trendsetter dieses bisher zu Unrecht eher wenig beachteten Segments ist jedoch
der TMax 500 von Yamaha. Über 180 000 Stück wurden seit der Lancierung 2003
verkauft, mehr als 115 000 davon allein in Italien, dem Scooter-Land
schlechthin.
Der TMax im Fadenkreuz
Ähnlich wie im Segment der Reise-Enduros, welches BMW mit der R 1200 GS seit
Jahren nahezu konkurrenzlos dominiert, ist es auch im Maxi-Scooter-Segment nur
schwer nachvollziehbar, dass die diversen Motorrad- und Roller-Hersteller dieses
lukrative Geschäft bisher weitgehend einer Marke überliessen. Doch damit ist nun
definitiv Schluss; das zeigen die diversen interessanten Neuheiten von Aprilia,
BMW, Honda und Kymco auf eindrückliche Art und Weise. Allerdings ist
verständlich, dass sich Yamaha von der dermassen erstarkten Konkurrenz nicht
kampflos die Butter vom Brot nehmen lassen wird. Rechtzeitig vor der Lancierung
der fünf neuen Mitbewerber wurde der TMax ein weiteres Mal grundlegend
überarbeitet und aufgefrischt.


Yamaha TMax 530
(Bild: PD)
Auffallend sind in erster Linie die optischen Änderungen, vor allem das
kantigere und aggressiver wirkende Design, ganz im Stil der supersportlichen
Yamaha-Motorräder. Die Hubraumerweiterung des Reihen-Zweizylinders um 6 Prozent
auf 530 cm³ bewirkt ein satteres Drehmoment und verbessert die bereits bis anhin
beeindruckenden Sprinterqualitäten. Dazu kommt der komplett neu gestaltete
Sekundärantrieb mittels Zahnriemen. Das Aluminiumchassis und die daraus
resultierende Stabilität und Wendigkeit sind weiterhin einzigartig in dieser nun
plötzlich hart umkämpften Roller-Kategorie.
Den stärksten Maxi-Scooter lässt freilich Aprilia anrollen. 76 PS und 76,5 Nm
Drehmoment drückt der V2 des neuen SRV 850 auf die Kurbelwelle. Es ist
anzunehmen, dass der sportlich gestylte Gross-Roller trotz 249 kg Leergewicht
die 200-km/h-Marke erreichen wird. Zwei 300-mm-Brembo-Scheibenbremsen und die
hintere Einzelscheibe mit 280 mm sollen die Pferdeherde sicher im Zaum halten.
Das Fahrwerk aus konventionellem Stahlrohrrahmen, Teleskopgabel und Alu-Schwinge
mit Mono-Federbein liegt auf dem Niveau sportlicher Mittelklasse-Motorräder.
Einige davon dürfte der SRV 850 in Sachen Leistung sogar übertreffen.


Aprilia SRV 850
(Bild: PD)
Mitte März steigt BMW erstmals ins Maxi-Scooter-Segment ein, und das gleich
mit zwei Modellen. Die beiden technisch weitgehend identischen Fahrzeuge C600
Sport und C650 GT werden vom gleichen Reihen-Zweizylindermotor mit 647 cm³
Hubraum und 60 PS angetrieben. Styling und Auslegung des Sport entsprechen der
Modellbezeichnung. Ein geniales Detail ist das beim Parkieren unter dem Sitz
ausklappbare «FlexCase», welches das Fach auf das Volumen zur Unterbringung von
zwei Integralhelmen vergrössert.
Im Gegensatz zum Sport erfüllt der GT eher tourenspezifische Ansprüche. Er
ist hinten breiter und offeriert dadurch permanent rund 50 Liter Stauraum –
ebenfalls genug für zwei Integralhelme. Bei beiden wird mit dem Ausklappen des
Seitenständers gleichzeitig eine Feststellbremse aktiviert und dadurch ein
allfälliges Wegrollen des Fahrzeuges auf abschüssiger Fahrbahn verhindert. ABS
ist Serie, im Gegensatz zu der Sitz- und Griffheizung, dem Navi, dem
Kommunikationssystem und diversem weiterem Zubehör.


BMW C650 GT (Bild: PD)
Eine ganz besondere Neuheit ist der Integra, denn dieser ist Teil eines
bisher einzigartigen Konzepts von Honda (siehe Artikel Seite 4). Unter der
rollertypischen Frontverkleidung mit hoher Windschutzscheibe steckt moderne
Motorradtechnik, die gleiche wie beim hüllenlosen Roadster NC700C und beim
schnittigen Allrounder NC700X. Wie die Schwestermodelle wird der Integra von dem
48 PS starken Parallel-Twin-Motor mit 670 cm³ Hubraum und über eine Kette
angetrieben. Einzigartig ist die Übersetzung des Sechsganggetriebes mit
Doppelkupplung. Geschaltet wird also wahlweise vollautomatisch oder mit
Knopfdruck, wobei das Kuppeln bei beiden Varianten entfällt. Zwei Fahrmodi,
Drive und Sport, verändern die Schaltzeitpunkte den Bezeichnungen entsprechend.
Im D-Modus benötigt der Integra bescheidene 3,6 Liter / 100 km. Seine
Höchstgeschwindigkeit liegt bei zirka 170 km/h. Ein kombiniertes Bremssystem mit
ABS, das die Bremskraft ausgewogen auf beide Räder verteilt, bietet ein hohes
Mass an Sicherheit. Unter Berücksichtigung der konstruktiven Auslegung
überrascht es kaum, dass die fahrdynamischen Eigenschaften denen eines modernen
Motorrades in nichts nachstehen.
Schwergewicht aus Taiwan
Kymco (Kwang Yang Motor Company), einer der grössten Motorrad- und
Roller-Hersteller aus Taiwan, produziert nach europäischen Qualitätsstandards
und ist in der Schweiz seit Jahren bestens etabliert. Mit dem Myroad 700i lässt
Kymco jetzt sein bisher stärkstes Scooter-Modell anrollen. Angetrieben wird der
Myroad von einem flüssigkeitsgekühlten 700-cm³-Zweizylinder mit
Benzineinspritzung und einer Maximalleistung von 59 PS. ABS gehört ebenso zur
reichhaltigen Serienausstattung wie das elektronisch 3-fach verstellbare
Fahrwerk und weitere technische Details. Der erfrischend modern gestylte Myroad
kommt mit breiter Verschalung und höhenverstellbarer Scheibe. Ob der nahezu 300
kg schwere Roller und die weiteren neuen Maxi-Scooter mit dem langjährigen
Marktleader TMax und den anderen etablierten Mitbewerbern mithalten können,
werden die geplanten Testfahrten demnächst zeigen.
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